ERP-Systeme entscheiden oft darüber, ob ein Unternehmen schnell auf Marktchancen reagieren kann - oder ob es beim nächsten Partner-Onboarding wieder Projektsprints, Sonderbau und extra Ressourcen braucht. Eine Schlüsselfunktion nimmt dabei die Beschaffenheit der eigenen API des eigenen ERP-Systems ein.
Eine starke API ist längst kein „Nice-to-have“. Sie beschleunigt neue Kanäle, senkt Integrationskosten und sichert dir langfristige Flexibilität. Im Folgenden erfährst du, warum viele ERPs hier schwächeln, woran du eine gute API erkennst und warum sich eine API-First Strategie bei einer ERP-Auswahl dauerhaft rechnet.
Warum viele ERPs keine Schnittstellen-DNA haben
Klassische ERP-Systeme sind aus monolithischen On-Premise-Lösungen hervorgegangen. Ihr Fokus lag jahrzehntelang nicht auf offenen Ökosystemen, sondern auf dem nächsten Feature, der vom Vertrieb gewünschten GUI oder internen Prozessen. Daher kamen Schnittstellen oft nur ergänzend dazu, als Batch-Exporte (CSV) oder EDI.
Mit Cloud-Architekturen hat sich das Bild gewandelt: Service-orientierte Systeme nutzen Events, Webhooks und Self-Service-Integrationen. Doch historische Monolithen mit gewachsenen Datenmodellen tun sich schwer, einfach nutzbare APIs, Strukturen und Features wie Idempotenz, Change Data Capture (CDC) oder echtzeitfähige Events nachzurüsten. Die Folge: Schnittstellen bleiben hakelig und unzureichend.
Typische Bremsklötze bei etablierten Anbietern
- Historische Altlasten im Datenmodell, nicht für offene APIs entworfen.
- Feature-getriebene Roadmaps: UI-Priorität statt API-Reife.
- Individuelles Customizing und Mehrmandantenlogik erschweren konsistente Schemas.
- Fehlendes API-Product-Management und unzureichendes Tech Writing in der Dokumentation.
- Lock-in-Strategie: Geschlossene Schnittstellen sichern Kundenbindung, hemmen aber Wachstum.
- Compliance- und Sicherheitsbedenken gegen vermeintlich „offene“ Objektzugriffe.
- API-Zugänge und Konnektoren als kostenpflichtige Ad-Ons (Monetarisierung).
Doch dass Schnittstellen inzwischen ein echter Kosten- und Umsatzhebel sind, zeigen wir dir anhand folgender Beispiele.
Wann API-first wirklich wichtig ist
Wie wichtig eine API-first Strategie bei deiner ERP-Auswahl ist, hängt von deinem Business-Kontext ab. Besonders folgende Faktoren sind Warnsignale, dass du ohne starke Schnittstellen über kurz oder lang ausgebremst wirst:
Business-Signale für hohe API-Relevanz
Jeder dieser Punkte beschreibt ein typisches Szenario, in dem ERP-Schnittstellen von einem „praktisch nützlich“ zu einem „geschäftskritischen Muss“ werden.
Häufiges Onboarding externer Kanäle oder Partner
Wenn regelmäßig neue Marktplätze, Payment-Provider, Logistik oder Fulfillment-Dienstleister oder Marketing-Plattformen angebunden werden müssen, bedeutet jede Integration Aufwand. Ohne saubere APIs musst du für jeden Partner individuelle Konnektoren bauen, was Projektzeiten verlängert. APIs mit standardisierten Endpunkten und klarer Authentifizierung (z. B. OAuth2) ermöglichen Tests, Rollouts und Go-Live innerhalb von Tagen statt Monaten.
Mehrere Shop-Systeme, Länder-Setups oder parallele B2B/B2C-Flows
Unternehmen, die gleichzeitig mit unterschiedlichen E-Commerce-Plattformen (z. B. Shopify, Shopware) arbeiten oder Länder mit verschiedenen Steuersätzen bedienen, benötigen flexible, versionierte APIs. Nur so lassen sich Warenbestände, Kundendaten und Aufträge konsistent steuern. APIs vereinfachen auch die Abbildung paralleler B2B- und B2C-Geschäftsmodelle, wenn etwa Self-Service-Portale Bestellungen erzeugen, während klassische Key-Account-Prozesse laufen.
Marktplatz- oder Logistik-SLAs mit Echtzeitdruck
Viele Handels- und Fulfillment-Verträge arbeiten mit engen SLAs: Bestände müssen binnen Minuten stimmen, Versandbestätigungen müssen unverzüglich gemeldet werden, Verspätungen werden abgestraft. Hier sind Event-Streams, Webhooks und Near-Real-Time-Synchronisierung unverzichtbar. Legacy-ERPs mit Batch-Verarbeitung (Nächte, Stunden) reißen diese SLAs fast zwangsläufig.
Hohe Preis- und Produktdynamik
Promotions, Flash-Sales oder individuell konfigurierbare Bundles verlangen häufig bulkfähige, idempotente APIs, die tausende Preisänderungen täglich sauber übernehmen. CSV-Exporte oder manuelle Eingriffe sind in solchen Szenarien nicht mehr realistisch tragbar, da sie mit zu viel Overhead auch noch zu Datenfehlern, wie Preislücken, fehlerhaften Rabatten oder steuerlichen Inkonsistenzen führen können.
Rücksendungen und Service-Quoten
Gerade im Onlinehandel ist ein hoher Anteil an Retouren üblich. Hier entstehen pro Rücksendung Statusänderungen in ERP, Logistik, Finance und CRM. APIs mit webhook-basierten Statusänderungen verhindern manuelle Nacharbeit, sorgen für transparente Rückbuchungen und beschleunigen Kundenerstattungen.
Internationalisierung
Mehrwährungen, unterschiedliche Umsatzsteuermodelle oder Vorschriften wie GoBD in Deutschland oder E-Invoicing in Italien erfordern APIs, die Daten eindeutig versioniert, auditiert und wieder verarbeitbar bereitstellen. Besonders wichtig: saubere Versionierung, Audit-Trails und steuerlich robuste Datenobjekte.
M&A, Carve-outs oder Systemwechsel
Bei Übernahmen oder Ausgliederungen ist es entscheidend, Daten schnell, konsistent und vollständig zwischen ERP-Landschaften bewegen zu können. Nur gut dokumentierte, offene APIs erlauben einen entkoppelten Datenaustausch ohne monatelange Individualmigrationen. Fehlt dies, drohen teure Projektverzögerungen oder technische Sackgassen, sobald Systeme getrennt oder zusammengeführt werden sollen.
Schwellenwerte im Volumen (Richtwerte)
Spätestens, wenn einer der folgenden Schwellenwerte im Alltag erreicht wird, spürst du ohne API-first deutliche Auswirkungen auf deine Kosten, bzw. Umsatz.
- E-Commerce/Retail: > 500 Bestellungen pro Monat, >100 Bestandsänderungen pro Tag
- B2B/Distribution: >10 Partner-Integrationen.
- BI/Controlling: Datenbewegungen >1.000 Zeilen/Datensätze pro Tag oder Batchfenster <2h.
Das bedeutet wiederum nicht, dass du erst Gedanken machen solltest, wenn diese Werte Realität geworden sind. Denn dann steckst du mitten im Chaos. Entscheidend ist nicht nur die Masse, sondern die Notwendigkeit zu Flexibilität, Geschwindigkeit und Zukunftssicherheit im Geschäftsalltag.
Die genannten Schwellenwerte zeigen sozusagen die „rote Ampel“, aber der API-First-Ansatz rechnet sich schon vorher: Überall dort, wo Änderungen häufig sind, neue Integrationen gefordert werden (selbst sporadisch), oder Prozesssicherheit und Transparenz entscheidend sind, bringt API-first „Mittelstands-Mehrwert“, unabhängig von Tagesstückzahlen.
9 Kriterien, anhand derer du eine gute API erkennst
APIs sind wie ein Tor, das bestimmt, welche Daten rein und raus kommen. Doch woran erkennst du, wie gut diese Tore funktionieren? Was macht eine gute API aus?
1) Transparenz & Doku (erste Ampel)
Der erste, simpelste Test für echte API-Reife ist Transparenz. Ein Anbieter, der Substanz hat, versteckt seine Schnittstelle nicht hinter Sales-Gates, sondern veröffentlicht eine versionierte Referenz - idealerweise als OpenAPI/Swagger - mitsamt Beispielpayloads für Kernobjekte wie Orders, Produkte, Bestände und Kunden. Ein gepflegtes Changelog mit klaren Deprecation-Terminen signalisiert Prozessreife, ebenso ein Fehlerkatalog mit Codes, Ursachen und Korrekturhinweisen. Eine Sandbox mit realistischen Testdaten rundet das Bild ab: Fehlt all das oder existiert nur als PDF, ist Vorsicht geboten - hier ist „API-first“ oft mehr Claim als gelebte Praxis.
2) Datenmodell & Query-Fähigkeiten (Over/Underfetching vermeiden)
Gute APIs verhindern Over- und Underfetching, indem sie Abfragen so flexibel machen wie nötig und so präzise wie möglich. Das gelingt mit selektiver Feldauswahl (Fields Projection), automatischen JOINs über verknüpfte Entitäten sowie kombinierbaren Filtern: Teilbegriffssuche, AND/OR-Kombinationen, numerische und zeitliche Ranges, Sortierung und saubere Pagination. Entscheidend ist zudem die Stabilität der Identifikatoren und Referenzen - eine product_id muss konsistent bleiben, Relationen müssen nachvollziehbar auflösbar sein. Wenn eine Schnittstelle dich zwingt, fünf Endpunkte nacheinander aufzurufen, nur um ein einfaches, verknüpftes Ergebnis zu erhalten, zahlst du mit Latenz, Komplexität und Fehleranfälligkeit.
3) Schreibpfade & Transaktionssicherheit (ohne Datenmüll)
Lesen ist die halbe Miete, Schreiben entscheidet über Betriebssicherheit. Reife APIs bieten Composite-Writes: komplexe Objekte wie eine vollständige Order - inklusive Positionen, Rechnungs- und Lieferadressen - werden in einem Aufruf verarbeitet. Damit das belastbar funktioniert, braucht es Idempotenz-Schlüssel, klare Regeln zu Atomicity (alles oder nichts). Ebenso wichtig sind verständliche Validierungsfehler mit Pfadangaben: Wer genau sagt, welches Feld warum scheitert, ermöglicht schnelle Korrekturen. Fehlen diese Mechanismen, häufen sich Dubletten, Inkonsistenzen und teure Datenbereinigungen.
4) Events, Webhooks & Entkopplung (Echtzeit statt Polling)
Moderne Commerce-Landschaften leben von Ereignissen: Eine Order entsteht, Bestände ändern sich, Preise werden angepasst, Retouren wechseln den Status. APIs mit echten Event-Fähigkeiten liefern diese Signale über Webhooks, inklusive Retry/Backoff und Deduplication. So werden Systeme entkoppelt, Prozesse reagieren in Near-Real-Time, und Polling-Last verschwindet. Idealerweise existieren klar versionierte Event-Typen.
5) Sicherheit & Governance (fein statt grob)
Sicherheit zeigt sich nicht in großen Worten, sondern in feinen Körnungen. Row- und Field-Level-Security sorgen dafür, dass Partner nur die Datensätze und Felder sehen, die ihnen zustehen - Mandantentrennung wird so technisch durchgesetzt, nicht organisatorisch erbeten.
6) Performance & Betrieb (skalieren unter Last)
Eine ernstzunehmende API spricht offen über Grenzen und Verhalten unter Last. Dazu gehören dokumentierte eventuelle Rate-Limits, Throttling und Backpressure-Empfehlungen. Eine Status-Page, SLAs und planbare Wartungsfenster schaffen Vertrauen. Ebenso wichtig ist Versionierung mit Migrationspfaden statt „Breaking Changes über Nacht“.
7) Developer Experience (DX) & Tool-Fit
DX ist kein Nice-to-have, sondern ein TCO-Hebel. Postman-/Insomnia-Collections, SDKs und Quickstarts verkürzen die Time-to-First-Value drastisch. Genauso wichtig: sprechende Fehlermeldungen mit Feldpfaden und konkreten Korrekturhinweisen - Ein einfaches „500 Unknown“ kostet ansonsten Tage. Und weil Integrationen heute oft auch in Fachbereichen starten, ist Low-Code-Kompatibilität (Make, n8n, Zapier) Gold wert: Sie ermöglicht schnelle MVPs und Pilotierungen, während Engineering sich auf die kniffligen Sonderfälle konzentriert.
8) Der Reality-Check in fünf Minuten
Wer Substanz hat, besteht den Praxis-Test. Lässt sich eine Order inklusive Positionen und Adressen in einem Call anlegen? Kommen signierte Webhooks mit Retrys und klaren Event-Versionen? Unterstützt die API Fields Projection, Auto-JOINs und kombinierte Filter inklusive Ranges? Gibt es Row-/Field-Level-Scopes, Bulk-/Async-Pfade, dokumentierte Rate-Limits - und eine optionale Sandbox? Diese wenigen Fragen schneiden durch Marketingclaims und zeigen, ob du in Wochen produktiv bist oder Monate lang Integrationskleber schreibst.
9) Beweisstücke aus der Praxis (einfordern!)
Glaubwürdigkeit entsteht durch Belege. Bitte den Anbieter um ein paar Standard-Flows, wie z.B.: Order-Read mit Join auf Kunde (inkl. Filter & Pagination), Composite-Order-Create mit Idempotenz sowie Webhook-Calls und Event-Zustellung. Wer hier liefern kann, hat nicht nur eine Schnittstelle - er betreibt ein Produkt.
Warum sich API-first rechnet
Bei der Auswahl eines ERP-Systems solltest du also nicht nur auf das Preisschild achten, sondern auf die Qualität der API. Selbst wenn du anfangs etwas mehr investieren musst, bei der Umsetzung und im täglichen Betrieb lohnt sich eine API-first Strategie.
Kurzfristige Vorteile
Schnellere Onboardings von Partnern oder Kanälen
Mit standardisierten Schnittstellen entfällt der aufwendige Sonderbau für Integrationen. Statt individueller Skripte nutzt du klar definierte Endpunkte, Webhooks und SDKs, was Projektlaufzeiten und Fehlerquellen unmittelbar reduziert.
Das Onboarding neuer Partner oder Kanäle gelingt dadurch deutlich schneller, wenn Konnektoren, konsistente Authentifizierung (wie OAuth2) und iPaaS-Plattformen bereitstehen – von Wochen schrumpft die Zeitspanne auf wenige Tage.
Weniger Hotfixes
Die Zahl nächtlicher Hotfixes sinkt, weil strukturierte Fehlercodes, verlässliche Idempotenz und eingebaute Retry-Mechanismen für weniger Überraschungen sorgen.
Saubere Datenflüsse
Inkrementelle Exporte und CDC sichern saubere, nachvollziehbare Datenflüsse – damit gehören aufwendiges Zusammensuchen, Dubletten und Inkonsistenzen der Vergangenheit an.
Upgrade-Sicherheit
Versionierte APIs und durchdachte Deprecation Policies geben Sicherheit bei Release-Wechseln, während Transparenz durch Statuspages, Correlation-IDs und Monitoring den Ursachen von Problemen in Minuten statt Tagen auf den Grund gehen lässt.
Langfristiger Nutzen
Langfristig liegt der größte Hebel darin, Folgekosten und technische Altlasten zu vermeiden.
Nachhaltig geringere Integrations- und Wartungskosten
Mit stabilen, offenen und dokumentierten APIs werden Integrationen zur einmaligen Aufgabe – die Endlosschleife aus eigenen Schnittstellenprojekten, cron-Job-Landschaften und Script-Wartung bleibt aus.
Ein robustes Domänenmodell reduziert Daten-Schulden dauerhaft und erleichtert Audits sowie Datenkorrekturen erheblich.
Weniger Risiko eines Vendor-Lock-ins
Das Risiko eines Vendor Lock-in sinkt, da Systemwechsel und M&A-Carve-outs mit offenen Schnittstellen deutlich schneller und sicherer realisiert werden können und eine geringere Abhängigkeit von proprietären Formaten existiert.
Einfache Skalierbarkeit von neuen Märkten und Channels
Neue Märkte, Standorte oder Marktplätze lassen sich anbinden, ohne dass das ERP-System kernumgebaut werden muss.
Geringeres Risiko unerwarteter Ausfälle
Die Pflege und Wartung des Systems wird planbarer, weniger reaktiv – APIs mit klaren SLO/SLA-Standards und versionierten Breaking-Changes mindern das Risiko unerwarteter Ausfälle.
Bessere Datenbasis für BI und KI
Für BI und KI wird die Datenbasis belastbarer, weil konsistente, eventgetriebene Ströme ETL-Sonderlogik minimieren und Analysen ohne Datenpflegeballast ermöglichen.
Deine Entwickler und Partner werden dich lieben aufgrund guter DX
Entwickler und Partner schätzen die gute Developer Experience (DX) – OpenAPI, Sandbox-Umgebungen und SDKs ermöglichen schnellere Einarbeitung und größere Reichweite im Partnernetzwerk.
So bleibt deine IT-Architektur offen für künftige Optionen, statt zum Innovations-Bottleneck zu werden - API-first schafft Handlungsspielraum, damit du Architekturentscheidungen künftig ohne hohe Umlaufkosten treffen kannst.
Hublify hat API-First tief in seiner DNA verankert und ist stolz auf seine API und Kunden wie Maik (Releeze Group), die bezeugen: „Ich arbeite sehr gerne mit Hublify, da hier API-first wirklich gelebt wird und wir an alle Daten leicht rankommen.“