Auch wenn sich die Lieferketten seit der Corona-Pandemie wieder entspannt haben, Warenverfügbarkeit bleibt ein aktuelles Thema. Sobald du auf mehreren Kanälen verkaufst, auf Marktplätzen, im eigenen Shop, in Filialen und über Social Media, vertrauen deine Kunden darauf, dass die Informationen zur Verfügbarkeit stimmen und eingehalten werden. Du weißt, dass ein hoher Lagerbestand wiederum Kapital bindet. Wenn die Preise deiner Lieferanten weiter so steigen wie bisher, könnte ein Puffer im Lager jedoch gut angelegtes Geld sein. Wie kannst du den optimalen Lagerbestand erreichen? Welche Kennzahlen solltest du im Blick behalten, damit du kostenbewusst einkaufst, immer genug auf Lager hast und trotzdem keine Ladenhüter im Regal versauern?
Die Angst vor Überverkauf und die Sehnsucht nach dem perfekten Lagerbestand bestimmen seit jeher den Handel. Im Multichannel Commerce kannst du ohne Warenwirtschaft deine Lager kaum mehr effizient steuern. Insbesondere, wenn du dabei die verschiedenen Kanäle miteinander vernetzen willst, zB für Click & Collect-Lösungen. Bei welchen Herausforderungen hilft dir eine Warenwirtschaft?
1. Kanalübergreifende Bestandsverwaltung: Den Status Quo erkennen
Transparente Bestände trotz verschiedener Lagerorte und mehrerer Verkaufskanäle
Solange du nur über deinen eigenen Shop aus einem Lager heraus verkaufst, kommst du mit manuellen Bestandslisten eventuell noch aus, wenn auch mit großem Aufwand. Mehr und mehr Online-Händler müssen heute auf mehreren Kanälen verkaufen, damit ihre Marke sichtbar bleibt. Hinzu kommt, dass deine Ware in mehreren Lagern oder verteilt auf verschiedene Filialen gelagert ist, die du kanalübergreifend anbieten und versenden willst. Um zu ermitteln, wann dein Bestand knapp wird, brauchst du ein System, das alle Artikel mit ihren Beständen, Lagerorten und Lagerplätzen zentral verwaltet. Auf Basis dieser zentralen Bestandsverwaltung werden die Verfügbarkeiten in den jeweiligen Verkaufskanälen ausgespielt.
2. Bestandsdaten in Echtzeit: Damit selbst Reservierungen keinen Überverkauf provozieren
Automatischer Bestandsabgleich und Mindest-/Maximalwerte für jede Ebene
Im Omnichannel Commerce können mehrere Kunden auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig dieselben Artikel in den Warenkorb legen, bzw. manche Produkte reservieren. Wie wirkt sich das auf deinen Warenbestand aus? Sind Produkte im Warenkorb reserviert und wenn ja, wie lange? Wenn es bei besonderen Rabattaktionen auf Sekunden ankommt, sind Bestandsdaten in Echtzeit und ein automatischer Bestandsabgleich unerlässlich. Denn nichts ist frustrierender, als Kunden aufgrund von Überverkauf mitzuteilen, dass ihre bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist. In einer Warenwirtschaft kannst du Mindest- und Maximalwerte angeben pro Shop, pro Artikel, damit du Überverkauf vermeiden kannst.
3. Der schnellste und günstigste Weg vom Lagerort zum Kunden: optimales Picken & Packen
Wenden wir uns nun von der Verkaufsseite der Lagerhaltung zu. Denn nicht nur der Lagerbestand, sondern auch die Lagerplätze und Lagerorte spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, kosteneffizient zu handeln. Während die Filiale in der Innenstadt meist ein teures Pflaster ist und keine großen Vorräte vorhalten kann, können externe Großlager günstig bedient werden. Oder man kommt ganz ohne Lager mit Dropshipping aus.
Wo lagert idealerweise welche Ware und wie können Bestellungen am kostengünstigsten gepackt werden, damit Lagerhaltungskosten, Packkosten und Versandkosten genau austariert werden? Für moderne Lagerhaltung gibt es verschiedene Ansätze. Während früher Lagermitarbeiter mit Zettel und Stift die Artikel einer Bestellung zusammengesammelt haben, werden Artikelbewegungen heute mit mobilen Barcode-Scannern erfasst und zentral verwaltet.
Eine Warenwirtschaft erfasst alle Warenbewegungen und die damit verbundenen Kosten. Entsprechend können automatisiert kosten- und laufwegoptimierte Pick- und Packlisten erstellt werden, auch bei lagerübergreifenden Bestellungen. Ist eine Bestellung vollständig kommissioniert, werden Lieferschein und Rechnung automatisch erstellt und beigelegt, das Versandlabel gedruckt und die entsprechende Tracking-Nummer zur Weiterverarbeitung abgespeichert werden.
4. Mit wenig Aufwand Rückverfolgung und Nachweispflicht erfüllen
Nicht nur Kunden wollen den Status ihrer Bestellung mit Hilfe von Tracking-Nummern mitverfolgen. Für manche Produkte wie Lebensmittel besteht eine Nachweispflicht, damit Rückrufaktionen in kürzester Zeit durchgeführt werden können. Bei solchen Produkten müssen Warenflüsse von der Fertigung bis zur Auslieferung mit Seriennummer und Chargennummer rückverfolgbar sein. Eine Warenwirtschaft liefert diese Transparenz auf Knopfdruck.
5. Retouren effizient verwalten
Zu den nachzuverfolgenden Warenflüsse gehören auch Retouren oder Reklamationen, wenn Ware wieder zurückkehrt. Retouren sollen so schnell wie möglich wieder für den Verkauf bereitgestellt werden, daher zählen hier effiziente Prozesse besonders viel. Retouren werden beim Thema Kosteneffizienz immer wieder heiß diskutiert. Für den Kunden sollen sie einfach und möglichst kostenfrei sein. Für den Händler sind Retourenprozesse zeitaufwändig und personalintensiv. Eine Retoure muss angemeldet werden, Retourenscheine vergeben, Wareneingang zugeordnet, bestätigt, geprüft und über die Weiterverarbeitung entschieden werden. Schließlich erfolgt eine Gutschrift oder Rückerstattung und die Retourengründe wollen ausgewertet werden. Neben reinen Transportkosten fallen Personalkosten an für die Bearbeitung, Beurteilung und Wiederaufbereitung an.
Eine Warenwirtschaft ermöglicht dir und deinen Kunden Transparenz über den Status der Retoure und trägt so zur Kundenzufriedenheit bei. Viele Prozesse können automatisiert ablaufen, beispielsweise die Erstellung von Retourenlabels, Eingangsbestätigungen, Teilerstattungen oder das Management der Retourengründe.
6. Nur die richtigen Artikel auf Lager halten: tote Lagerbestände vermeiden
Während es bei Kernprodukten mit langen Beschaffungszeiten sinnvoll sein kann, eine größere Menge auf Lager zu halten, blockieren Ladenhüter nur Lagerplätze und binden Kapital. Als Ladenhüter oder Penner werden Artikel bezeichnet, die sich nur schwer verkaufen lassen, eine hohe Lagerzeit und niedrige Lagerumschlagshäufigkeit aufweisen. Insbesondere bei Saisonartikeln, verderblicher Ware oder bei Modeerscheinungen, die nur für eine bestimmte Zeit sehr gefragt sind, ist die Frage, wie man diese Ware möglichst schnell wieder loswird, von großer Bedeutung. Doch wie erkenne ich, welche Produkte Ladenhüter sind?
Die Voraussetzung ist natürlich Punkt 1, nämlich eine kanalübergreifende Bestandsverwaltung zu haben, die dir überhaupt einen Überblick und Auswertungen ermöglicht. An folgenden Merkmalen kannst du Handlungsbedarf erkennen:
- Mit Hilfe einer Renner-Penner-Analyse ermittelst du absatzseitig, welche Artikel wenig verkauft werden und kannst einen Trend erkennen. Du könntest auch externe Markttrends berücksichtigen, um die allgemeine Marktnachfrage einzubeziehen.
- Die Überprüfung des Mindesthaltbarkeitsdatums des Artikels sowie der Lagerdauer und Lagerumschlaghäufigkeit zeigen dir, welche Artikel schon sehr lange auf Lager liegen oder dringend abverkauft werden müssen, bzw. bei welchen es sich lohnt, das Lager zu verkleinern.
- Handlungsbedarf entsteht insbesondere, wenn es sich um Artikel mit hohen Lagerkosten handelt. Dazu gehören nicht nur die Lagerhaltungskosten für Raummiete, Energiekosten, Personal und für die Waren an sich, sondern auch Lagerzinskosten für das gebundene Kapital.
Um diese Produkte wieder loszuwerden, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Du versuchst zuerst, über Rabatte oder Produktsets (Bundles) die Ware abzuverkaufen. Alternativ könntest du den Lieferanten fragen, die Ware wieder zurückzunehmen oder in Konsignationslagern vorzuhalten. Oder du verkaufst sie an andere Händler, die bspw. Restposten-Bestände aufkaufen. Schließlich bleibt immer noch die Möglichkeit, Ware (PR-wirksam) zu spenden und sie dadurch steuerlich abzusetzen.
7. Vorausschauend nachbestellen
Genauso wenig, wie du Ladenhüter willst, sollen deine Kunden auf ihre Ware wegen mangelnder Verfügbarkeit warten müssen. Wie sorgst du dafür, rechtzeitig und vorausschauend Material und Ware nachzubestellen? Dabei müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden: neben den Verkaufsdaten und dem Lagerbestand, muss die Lagerreichweite und die Wiederbeschaffungsdauer ermittelt werden, aus der ein Mindestbestand und ein Meldebestand resultiert. Der Mindestbestand ist sozusagen die eiserne Reserve, wobei der Meldebestand darüber liegt und Nachbestellungen erfordert. Dadurch, dass eine Warenwirtschaft all diese Daten verwaltet, können Kennzahlen wie Mindestbestand und Sollbestand für jedes Lager übergreifend über ein Dashboard stets aktuell überwacht werden.
Wird eine kritische Menge erreicht, kann dich das System alarmieren bis hin zu automatisiert eine vorab angelegte Bestellung auslösen.
Und damit hat sich der Kreislauf des Warenflusses wieder geschlossen und du hast erkannt, wieviel Arbeit dir eine Warenwirtschaft abnehmen kann. Dabei steht „Warenwirtschaft“ als Platzhalter für eine Software zum Steuern und Verwalten deiner Warenbewegungen, die Einkauf, Lager, Versand, aber auch Verkauf und Retouren umfasst. Alternativ oder je nach Definition kümmern sich im engeren Sinne auch Warehouse Management Systeme (WMS) oder Lagerverwaltungssysteme insbesondere um Einkauf und Lager oder im weiteren Sinne ERP Software um die gesamte Ressourcenplanung.