Die Zeiten des „one fits all“ Marketing sind lange vorbei. Jeder Kunde ist anders, zumindest auf den ersten Blick. Beim genaueren Hinsehen zeigen sich Ähnlichkeiten im Kaufverhalten, in Vorlieben für bestimmte Marken, in der Persönlichkeit und Lebensstandard. Genau diese Ähnlichkeiten gilt es mit Hilfe der Kundensegmentierung herauszufinden. Dann verschwenden Unternehmen mit Gießkannen-Marketing kein Geld und verprellen Kunden nicht mit uninteressanten Angeboten. Eine Kundensegmentierung ist der erste Schritt für eine zielgerichtete Ansprache von Bedürfnissen und sorgt langfristig für treue Kunden. Welche Produkte interessieren wann welche Käufer? Welche Konsumenten sind für mich als Unternehmen besonders relevant?
Was ist Kundensegmentierung?
Anhand definierter Merkmale werden Kunden in homogene, voneinander abgrenzbare Käufergruppen eingeteilt. Das Marketing eines Unternehmens soll so die Kunden in ihren Bedürfnissen besser verstehen, individuell ansprechen und am Ende zum Kauf überzeugen können.
Wozu dient eine Aufteilung in Kundensegmente?
Durch Kundensegmentierung erfolgt eine differenzierte Marketingstrategie, die sowohl für Unternehmen als auch für Kunden gewinnbringend ist. Mehr als die Hälfte aller Deutschen wünschen eine individuelle Ansprache, internationale Kunden noch viel häufiger. Damit ist nicht nur die Anrede gemeint, sondern ein für sie relevantes Angebot. Für Unternehmen liegt der Mehrwert der Kundensegmentierung vor allem in der Steigerung des Umsatzes begründet. Durch zielgerichtete Kampagnen können Marketingkosten gesenkt werden, wertvolle Kunden an der Abwanderung gehindert werden oder neue Umsatzpotenziale bei bestehenden Kunden ermittelt werden.
Worin unterscheidet sich Kundensegmentierung von Marktsegmentierung?
Häufig ist es sinnvoll, vor der Kundensegmentierung den Gesamtmarkt in Teilmärkte zu unterteilen. Bei der Marktsegmentierung steht der potenzielle Absatzmarkt im Mittelpunkt, inclusive verlorener, potenzieller und aktueller Kunden. Die Kundensegmentierung fokussiert sich nur auf Bestandskunden mit ihren Bedürfnissen. Mit der Marktsegmentierung wird der Gesamtmarkt beispielsweise zunächst geografisch eingeteilt, dann nach Marktsegmenten für hochpreisige, bzw. niedrigpreisige Produkte, usw. Die Kundensegmentierung würde eine weitere Einteilung in Segmente wie „Schnäppchenjäger“ oder „Last-Minute-Preis-Egal-Käufer“ vornehmen.
Nach welchen Kriterien werden Segmente gebildet?
Je mehr Daten über Kunden zur Verfügung stehen, desto präziser können Kundensegmente definiert werden. Doch selbst mit einem Minimum an Daten hilft es, nach folgenden Merkmalen zu unterscheiden und die Ansprache zu differenzieren:
- B2B versus B2C: Firmenkunden stellen komplett andere Anforderungen als Privatkunden und haben andere Entscheidungsprozesse. Bei der Nachfrage nach Hoodies wollen Geschäftskunden beispielsweise besondere Firmenfarben und Logos aufgedruckt haben, während Konsumenten Pullis für den Privatgebrauch vor allem nach Geschmack und Preis auswählen.
- Regionale Unterschiede: Will ein Getränkelieferant „Alsterwasser“ in Bayern vertreiben, so würden Einheimische darunter ein Andenken aus Hamburg vermuten, aber kein waschechtes Radler.
- Geschlecht: Welche Produkte werden geschlechtsspezifisch eingekauft, welche nicht? Kaufen Damen auch Herrenuhren, umgedreht aber nicht, so nutzt eine pure Einteilung der Kunden nach Geschlecht nicht viel.
- Soziodemografische Merkmale (Beruf, Familienstand, Einkommensverhältnisse): Studenten, junge Familien oder Senioren unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen enorm.
- Kaufverhalten: Welche Kunden kaufen häufig wieder mit welchem Kaufvolumen? Welche reklamieren oder retournieren besonders häufig? Wie sensibel reagieren sie auf Preisänderungen, Rabatte und Gutscheine?
- Werte & Interessen: Wie wichtig sind beispielsweise Qualitätssiegel, Nachhaltigkeit oder Bio-Zertifizierungen?
Wie viele Segmente sind sinnvoll?
Die Anzahl der Kundensegmente richtet sich dabei danach, wie viele unterschiedliche Strategien das Marketing operativ umsetzen kann. Sind alle Bestandskunden sinnvoll Segmenten zugeordnet? Unterscheiden sich die Segmente klar voneinander? Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Kunden in einem Segment sind. Eine spezifische Ansprache der Bedürfnisse heruntergebrochen auf jeden einzelnen Kunden im Sinne von „Segments of One“ stellt viele Unternehmen noch vor große Herausforderungen.
Welche Methoden gibt es zur Durchführung einer Kundensegmentierung?
Je nachdem, nach wie vielen Merkmalen unterschieden werden soll, eignen sich ein- oder mehrdimensionale Segmentierungen. Der Vorteil einer eindimensionalen Segmentierung ist die einfache Umsetzung, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen, welche Kunden beispielsweise:
- am meisten Umsatz gebracht haben, klassischerweise in der ABC-Analyse oder
- wann sie zum ersten Mal gekauft haben
- wie hoch der durchschnittliche Warenkorbwert war
- wie häufig sie wieder gekauft haben
- am meisten retourniert haben.
Allerdings reicht ein Merkmal für eine Einteilung in homogene Gruppen nicht aus.
Für mehrdimensionale Segmentierungen eignen sich folgende Methoden:
Bei der Cluster-Analyse wird nach bestimmten Algorithmen in einem Datenbestand (beispielsweise der Kaufhistorie von Kunden) nach Mustern (hier im Kaufverhalten) gesucht. Die Cluster ergeben sich nicht durch eine Definition der Merkmale vorab, sondern aufgrund von Häufungen. Diese Segmente können dann genauer analysiert und beschrieben werden. Kunden, die einem Clustern zugeordnet werden, verfügen über gleiche Merkmale, die sich von den anderen Clustern unterscheiden.
Ein solches Cluster könnte Schnäppchenjäger sein, die vor allem best-price-Angebote oder im Sale kaufen. Insbesondere bei der Analyse des Kaufverhaltens sollten Cluster-Analysen häufiger durchgeführt werden, um Änderungen im Kaufverhalten einzubeziehen.
Die RFM-Analyse untersucht Bestandskunden nach den Kriterien Recency (Zeitabstand, Tage zum letzten Kauf), Frequency (Kaufhäufigkeit) und Montary (Umsatz). Besonders interessant sind natürlich die Kunden, die häufig, in kurzen Abständen und mit hohem Bestellwert einkaufen. Bei dieser Analyse werden nur Bestandskunden betrachtet mit einer aussagekräftigen Kaufhistorie. Für die Bewertung von Neukunden, geschweige denn Leads ist sie nicht geeignet. Genauso interpretiert sie nur die Historie und bezieht zukünftiges Kaufverhalten nicht mit ein, dafür wäre eine Kundensegmentierung auf Grundlage des Customer Lifetime Values (CLV) sinnvoll. Für eine zielgerichtete Ansprache der wertvollen Bestandskunden ist die RFM-Analyse nach wie vor eine effiziente Methode, weil sie in ihrer Umsetzung einfacher ist als der CLV.
Predictive Models geben Aussagen über das zukünftige Kaufverhalten des Kunden aus und werden meist auf Basis von machine learning für folgende Use Cases aufgesetzt: Wann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass meine Kunden abwandern? Welche Produktempfehlungen haben die höchste Trefferquote? Bei welchem Preis wird mein Kunde am wahrscheinlichsten kaufen? Im Vergleich zur RFM-Analyse werden hier viel mehr Daten analysiert, Clickverhalten, Kanalaffinität, etc.
Zentrale Daten als Grundlage für Kundensegmentierung
Die Grundlage für eine Segmentierung ist ein 360°-Blick auf alle kundenrelevanten Daten in Echtzeit. Dazu können Transaktionsdaten und Kampagnen-Daten, Onsite-Verhalten, persönliches Profil, Kanal- und Gerätepräferenzen sowie Social Media Engagement gehören – je mehr, desto besser. Idealerweise lagern diese Daten nicht in unterschiedlichen Datensilos, sondern an einer zentralen Stelle, damit auf Kundenbedürfnisse direkt reagiert werden kann. Es gibt verschiedene technologische Ansätze, die Kundendaten vereinen, beispielsweise eine Customer Data Platform (CDP).
Mit der Fokussierung auf aktuelle Kundenbedürfnisse liegt man zunächst auf jeden Fall richtig. Was allerdings das konkrete Angebot für die unterschiedlichen Kundensegmente angeht, kommen weitere Komponenten hinzu, die ggf. nicht in einer Customer Data Platform abgedeckt sind. Hier spielen Lagerverfügbarkeit, Abverkauf, Rentabilität der Produkte oder Preisvorgaben seitens der Hersteller eine große Rolle, die das individuelle Angebot enorm beeinflussen können. Am Ende zählt das perfekte Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage, denn dann nutzt eine Kundensegmentierung Unternehmen tatsächlich im Sinne der Umsatzsteigerung.