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Lagerkennzahlen für eCommerce Händler: So steuerst du dein Lager effizient

Woran erkennst du, ob du ausreichend, aber nicht zu hohe Lagerbestände hast? Bei welchen Artikeln solltest du deine Bestände verändern? Wann ist der ideale Zeitpunkt, nachzubestellen? In Zeiten von steigenden Kosten fragst du dich, wieviel Kapital deines Unternehmens im Lager steckt – in Form von gelagerter Ware, aber auch wieviel die Lagerhaltung an sich kostet. Lagerbestände bauen sich meist schleichend auf und Kennzahlen werden im Lager oft vernachlässigt.

Wer als Hersteller mit eCommerce Ambitionen oder als Online-Händler eine eigene Lagerhaltung betreibt, braucht KPIs (Key Performance Indicator), also Zahlen und Metriken, mit denen die eigenen Ziele umgesetzt bzwüberprüft werden können. Schließlich will keiner Umsatz wegen Lieferschwierigkeiten verlieren oder Ladenhüter billig verramschen müssen.

Doch welche KPIs sollten ausgewählt werden? Die Antwort auf diese Frage fällt für jeden unterschiedlich aus.

 

Folgende KPIs werden wir thematisieren:

  • Waren- und Warenmenge-basierte KPIs
    • Durchschnittlicher Lagerbestand
    • Sicherheitskoeffizient
    • Warenrotation
    • Rückstandsprozentsatz
  • Kapitalbasierte KPIs
    • Lagerhaltungskosten
    • Vorratsintensität
    • Kapitalbindung
    • Lagerzinsen
  • Zeitbasierte KPIs
    • Lagerumschlagshäufigkeit
    • Lagerreichweite
    • Durchschnittliche Lagerdauer
    • Durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit
    • Bestelllaufzeit

 

Wofür braucht man Lagerkennzahlen?

Als gegen Ende der Pandemie und mit Beginn des Ukraine-Krieges Ressourcen in vielen Bereichen knapp wurden, Lieferzeiträume und Preisentwicklungen unkalkulierbar wurden, änderten sich für viele Einkaufsabteilungen die Ziele: hamstern zu (noch) günstigen Preisen war angesagt, während Jahre vorher eine geringe Kapitalbindung in Form von niedrigen Lagerbeständen die Regel war. Doch am Beispiel von AboutYou kann man sehen, wie das Ziel hoher Lagerbestände aufgrund des pandemiebedingten eCommerce-Booms mit Kriegsbeginn zum Nachteil wurden. Noch immer hat sich die Aktie des Modehändlers nicht erholt, was den vollen Lagers und daraus folgenden Rabatt-Aktionen zugeschrieben wird.

Doch nicht nur unerwartete Umstände erfordern aktuelle Kennzahlen über den Zustand des Lagers, um möglichst schnell die richtigen Aktionen ergreifen zu können. Mit Hilfe von KPIs (Key Performance Indicator) kannst du:

  • Lagerbestände optimieren: Hier heißt es Ladenhüter zu identifizieren, insbesondere diejenigen mit begrenzter Haltbarkeit oder besonderem Lageraufwand.
  • Vorausschauendes Planen unterstützen: Lieferfähig sein. Wer dauerhaft Lagerbestandsbewegungen und Lieferzeiten misst, kann Verbrauchswerte von Artikeln und deren Wiederbeschaffungsdauer ermitteln und besser planen.
  • Schwachstellen in den Prozessen aufdecken: Wenn Kennzahlen definiert sind können einfacher Soll-/Ist-Abweichungen erkannt und die Ursprünge erkannt und betreffende Prozesse angepasst werden..
  • Lagerprozesse aufeinander abstimmen: Bei der Organisation des Pickens und Packens sollen möglichst geringe Wegzeiten entstehen. Wer weiß, welche Artikel zusammengehören, häufig verkauft werden, etc. kann sein Lager entsprechend einrichten.
  • Zielerreichung messen: Ziele dienen dazu, deine gesamte Mannschaft in eine Richtung zu lenken. Je nach Team, helfen unterschiedliche KPIs dazu, sie zu erreichen. Beispielsweise soll der Einkauf die Vorratsintensität verringern, um das Ziel eines geringeren Lagerbestands zu erfüllen.


Wahl der KPIs und Zielsetzung

In unserem Artikel „KPIs im eCommerce: Worauf du achten solltest“ haben wir das Thema KPIs im eCommerce schon einmal allgemein besprochen. Im dem Artikel erfährst du, wie Ziele beschaffen sein sollen und welche KPIs üblicherweise im eCommerce von Bedeutung sind. Häufig kommen dabei Lagerkennzahlen zu kurz, obwohl hier erheblich Kosten einzusparen sind.  

Wichtig ist es, die KPIs entsprechend deiner Ziele zu definieren und richtig anzuwenden. Die Auswertung von Kennzahlen ist nicht nur von deinen Zielen, sondern auch von äußeren Faktoren abhängig: Lieferung in max 3 Tagen kann dein Ziel sein und entsprechend ist “Lieferdauer" dein KPI. Doch wenn äußere Faktoren wie ein Streik beim Lieferdienst plötzlich deine Lieferzeiten unberechenbar verlängert, dann hilft selbst der beste KPI nichts.

Im Hinterkopf behalten sollte man auch, dass man KPIs auch im Verhältnis zueinander verstehen und interpretieren muss: Eine hohe Kapitalbindung mag für sich genommen als Problem wahrgenommen werden, wenn jedoch viel Kapital nur kurze Zeit gebunden ist, beispielsweise  aufgrund einer hohen Lagerumschlagshäufigkeit, dann könnte die Kapitalbindung kurzfristig aufgelöst werden und erweist sich als unproblematisch.

 

Waren- und Warenmenge-basierte KPIs

Die wichtigsten KPIs beziehen sich auf die Waren, die im Lager bewegt werden, relativ zu Faktoren wie den Bestellungen und dem Bedarf der Kunden. Um als Unternehmen Verfügbarkeit planen zu können, ist der Ist- und Sollzustand der gelagerten Artikel wichtig.

 

Der durchschnittliche Lagerbestand bezeichnet den durchschnittlichen Wert der Bestände, die während eines bestimmten Zeitraums aufbewahrt wurden. Damit bezeichnet er den Wert des Lagers innerhalb dieses Zeitraumes.

Mehr dazu im Glossarartikel: Warenwirtschaft-Glossar.

 

Der Sicherheitskoeffizient ist ein KPI, der die Menge an zusätzlichem Lagerbestand angibt, die zur Deckung von unvorhergesehenen Ereignissen wie plötzlicher Nachfrageanstieg (z.B. nach Klopapier zu Beginn einer Pandemie) oder Lieferverzögerungen benötigt wird. Der Sicherheitskoeffizient wird umso wichtiger, je wahrscheinlicher solche Ereignisse sind – zum Beispiel in einer Branche, die stark von gefragten Rohstoffen abhängig ist.

 

Die Warenrotation bezeichnet die Geschwindigkeit, in der verschiedene Produkte verkauft werden. Das bedeutet, je schneller die Produkte verkauft werden, desto mehr sollte davon im Lager vorhanden sein.

Mehr dazu im Glossarartikel: Warenrotation.

 

Der Rückstandsprozentsatz bezeichnet den Prozentsatz der Aufträge, die nicht erfüllt werden können, weil die entsprechenden Artikel nicht auf Lager sind. Er wird benutzt, um rückblickend zu ermitteln, wie gut das Lager funktioniert. Optimalerweise ist der Rückstandsprozentsatz natürlich bei null, aber dafür ist wiederum ein sehr hoher Lagerbestand notwendig. 

 

Kapitalbasierte KPIs

Kapitalbasierte KPIs beschäftigen sich mit dem Einfluss des Lagers auf das Kapital des Unternehmens. Was kostet das Lager? Was sind die Opportunitätskosten des Lagers? Mithilfe dieser KPIs kann man sich bewusst machen, welchen Effekt das Lager auf das gesamte Business hat.

Es gibt Gründe, warum hohe Lagerbestände und die damit einhergehende Kapitalbindung im Lager sinnvoll und nötig sind. Beispielsweise, um Preiserhöhungen vorzusorgen, wenn Lieferfähigkeit der USP des Unternehmens ist, wenn Wiederbeschaffung aufwändig und kompliziert ist oder um Produktionsprozesse nicht unterbrechen zu müssen. Der weltweit größte Musikinstrumente-Händler Thomann wurde vom Magazin Brand eins zum „Mann, der Amazon schlug“ gekürt, da Thomann für Musiker ein unübertreffbar großes Lager mit jeglichen Instrumenten, Ersatzteilen und Zubehör hält.

Dennoch gilt es mit folgenden KPIs Kosten und Kapitalbindung zu analysieren.

 

Lagerhaltungskosten sind die Kosten, die anfallen, um Lagerbestände aufrechtzuerhalten und zu verwalten. Man unterscheidet zwischen fixen und variablen Lagerhaltungskosten und sollte sie auch im Verhältnis zu den Kosten der verkauften Waren betrachten – schließlich sind vermeidbar nur die Lagerhaltungskosten für Waren, die man nicht verkauft.

Mehr dazu im Glossarartikel: Lagerkosten.

 

Mit der Vorratsintensität und der Kapitalbindung werden der Wert des Lagerbestands der Vorräte im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Unternehmens gemeint. Die Kapitalbindung bezeichnet das Kapital, das zur Finanzierung des Lagerbestands benötigt wird und daher nicht für andere Investitionen zur Verfügung steht. Die Vorratsintensität ist die Höhe der Kapitalbindung, und damit ein guter Indikator für die Vermögensverteilung des Unternehmens – wie viel Geld steckt im Lager? Wer als Unternehmen agiler bleiben möchte, vielleicht in einer schwankungsanfälligen Branche, möchte die Vorratsintensität niedrig halten. Auch die Lagerzinsen sind in diesem Rahmen relevant. Sie bezeichnen die Opportunitätskosten, die aufgrund des gebundenen Kapitals entstehen, da dieses Kapital nicht für andere Zwecke benutzt werden kann. 

Mehr dazu im Glossarartikel: Kapitalbindung.

 

Zeitbasierte KPIs

Zeitbasierte KPIs beschäftigen sich mit der Dauer, die verschiedene Produkte im Lager verbringen, oder damit, wie viel Zeit für bestimmte Prozesse gebraucht wird. Diese KPIs sind einerseits wichtig für die Prozessoptimierung innerhalb des Lagers, aber auch für vorausschauende Planung.

 

Die Lagerumschlagshäufigkeit ist die Häufigkeit, mit der ein Unternehmen einen Artikel, eine Warengruppe oder den gesamten Lagerbestand während eines bestimmten Zeitraums verkauft und ersetzt. Die Lagerumschlagshäufigkeit ist wichtig, um die zuvor erwähnte Warenrotation zu berechnen, aber auch für die Lagerreichweite. Sie wird auch zur Planung genutzt.

Mehr dazu im Glossarartikel: Lagerumschlagshäufigkeit.

 

Mit der Lagerreichweite wird die Anzahl der Tage gemessen, die der aktuelle Lagerbestand voraussichtlich ausreicht, um den Bedarf des Unternehmens zu decken. Für Unternehmen, die eine komplizierte Supply Chain haben, ist eine lange Lagerreichweite wünschenswert – im Gegenzug ist eine niedrige Lagerreichweite hilfreich, um agil zu bleiben. Meist geht die Lagerreichweite einher mit der Kapitalbindung.

Mehr dazu im Glossarartikel: Lagerreichweite.

 

Durchschnittliche Lagerdauer ist die durchschnittliche Zeit, die ein Artikel im Lager verbleibt, bevor er verkauft wird. Sie ist wichtig, um zwischen Artikeln zu unterscheiden: Artikel, die lange im Lager bleiben sind für das Unternehmen weniger von Vorteil als Schnelldreher. So kann das Lager optimiert werden.

Mehr dazu im Glossarartikel: Warenwirtschaft-Glossar.

 

Die durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit oder Bestelllaufzeit bezeichnet die Zeit, die benötigt wird, um Lagerbestände nach dem Verkauf wieder aufzufüllen. Sie kann sowohl für das gesamte Lager als auch einzelne Produkte berechnet werden. Die durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit informiert viele der bereits erwähnten Entscheidungen: Sowohl die Lagerreichweite als auch die Kapitalbindung und Vorratsintensität werden stark dadurch beeinflusst, wie einfach man das Lager wieder auffüllen kann – ergo, wie kurz die durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit ist. Wenn wir also zuvor von einer komplizierten Supply Chain gesprochen haben, kann die Wiederbeschaffungszeit ein guter Indikator dafür sein. Sie ist sehr wichtig, um die Waren zur richtigen Zeit zu bestellen – möglichst, bevor die Lagerreichweite kleiner ist als die Bestelllaufzeit.

Mehr dazu im Glossarartikel: Durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit.

 

Welche KPIs sind die wichtigsten?

Fassen wir zusammen: Für die meisten KPIs gilt nicht gut oder schlecht – sie dienen dazu, die Unternehmensziele zu erfüllen. Daher ist es wichtig, klar zu definieren, was man will und die eigenen Prioritäten zu setzen. Eine Standardliste an Top 5 Lagerkennzahlen gibt es leider in dem Sinne nicht.

Hat man die passenden KPIs einmal definiert, reicht eine reine Messung nicht aus. Viel wichtiger ist nun, aus den Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen. Wenn einmal festgestellt ist, dass der Lagerbestand für bestimmte Artikel zu hoch ist, sollte gehandelt werden. Sowohl bei der Ermittlung der KPIs als auch bei der Optimierung unterstützt eine Warenwirtschaft, in der jeder Artikel samt seiner Stücklisten und Warenbewegungen nachgehalten wird.

Letzte Aktualisierung: 19.04.2023
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